Die zwingende Haftung des Verfrachters gilt vom Beginn des Einladens bis zur Beendigung des Ausladens [51]. Eine Freizeichnung ist für so genannte §Landschäden§ im internationalen Seefrachtverkehr ganz allgemein seit langer Zeit üblich und daher erlaubt. Ihre Rechtfertigung findet diese Haftungsfreizeichnung darin, dass die Güter vor ihrer Einladung und nach ihrer Ausladung sich in aller Regel nicht in der Obhut des Verfrachters befinden, sondern in derjenigen eines anderen selbstständigen Betriebes. Der Verfrachter, der auf diese Betriebe meistens keinen unmittelbaren Einfluss hat, ist daher in diesen Zeiträumen nicht in der Lage, dafür zu sorgen, dass die zu befördernden oder beförderten Güter keinen Schaden erleiden.
Urteil 49: § 606 HGB Container und Landschäden
Allerdings kann der Verfrachter die Haftung für einen Schaden durch falsche Ladungsbehandlung nach dem Ausladen jedenfalls dann nicht wirksam ausschließen, wenn das Fehlverhalten der Kaianstalt auf unzulängliche Instruktionen durch die Schiffsbesatzung zurückzuführen ist [52]. Bei diesem konkreten Fall hatte die Schiffsbesatzung der Kaianstalt einen Kühlcontainer übergeben, der nicht an eine elektrische Versorgungsstation angeschlossen werden durfte. Hierüber wurde die Kaianstalt jedoch nicht informiert, sodass sie - wie üblich - den Kühlcontainer an das Stromnetz anschloss; der Inhalt (Madeirawein) verdarb daraufhin. Allerdings hatte der BGH diese Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit es die notwendigen Feststellungen zu der Frage treffen kann, ob die Schiffsbesatzung beim Ausladen des Containers entsprechende Weisungen hätte erteilen müssen.
Das Berufungsgericht [53] kam danach zu dem Ergebnis, dass kein Fehlverhalten der Schiffsbesatzung vorliegt, welches ursächlich für den erst nach dem Löschen des Kühlcontainers eingetretenen Schaden hätte sein können. Die Schadenursache wurde erst nach Ausladung durch die Kaianstalt begründet. Die Handhabung in den europäischen Containerhäfen bei Vollcontainerschiffen sieht vor, dass das Schiff keine Instruktionen dem Löschschuppen gegenüber zu geben pflegt, dies sei Aufgabe des Agenten. Wegen der entstehenden Kosten wird kein Kühlcontainer ohne entsprechende Instruktion des Beauftragten oder Agenten des Empfängers oder des Agenten des Schiffes auf eigene Veranlassung der Schiffsbesatzung mit Strom versorgt. Das hängt wiederum damit zusammen, dass regelmäßig schon vor Ankunft des Schiffes im Löschhafen Dispositionen des Empfängers vorliegen, welcher im Allgemeinen sofort zwecks Weiterbeförderung übernimmt. Erst wenn der Empfänger oder die "Notify Address" bis zum Ausladen im Löschhafen nicht disponiert haben oder wenn deren Disposition dahin geht, den Kühlcontainer vorübergehend am Terminal/Kaiumschlagbetrieb zu belassen, übernimmt es der im Besitz des Ladungsmanifests befindliche Agent, den Inhalt des Manifests nebst Anweisungen wegen der Kühlung einschließlich der genauen Kühltemperaturen in der Weise dem Operator des Stauerei-/Umschlagbetriebs aufzugeben. Wenn die Landschaden-Klausel nur Schäden ausschließen will, die auf einer unzulänglichen Ladungskontrolle zeitlich nach dem Ausladen der Ware aus dem Seeschiff durch selbstständige Betriebe zurückzuführen sind, Schäden mithin, auf deren Entstehung der Verfrachter regelmäßig keinen unmittelbaren Einfluss mehr hat, stehen ihr rechtliche Bedenken aus dem über die Jurisdiktion-Klausel anwendbaren deutschen Recht, namentlich aus §§ 9 ff. AGBG, nicht entgegen. Dies gilt in Sonderheit vor dem Hintergrund der über das Internationale Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente in §§ 662, 663 Abs. 2 Nr. 2 HGB gesetzten Grenzen der zwingenden Haftung des Verfrachters sowie der international anerkannten Bedeutung der Klausel.
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Urteil 50: § 606 HGB Container und Landschäden
Wenn sich ein Verfrachter zur Beförderung von gekühltem Fleisch und der Einhaltung der gegebenen Kühlorder verpflichtet und in die Fracht auch die Vergütung von weiteren Kühltagen nach der Entlöschung einkalkuliert, gehört außer der Beförderung selbst auch die durchgehende Kühlung von der Übernahme bis zur Auslieferung zu den vertraglichen Hauptpflichten und ein Haftungsausschluss durch die so genannte Landschaden-Klausel ("from tackle to tackle") ist nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG unwirksam [54]. Denn die Anwendbarkeit der Klausel scheitert jedenfalls daran, dass mit ihr als einem Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verfrachters die Haftung auch für vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer vertraglichen Hauptpflicht, einer so genannten Kardinalpflicht, die vorliegend gegeben ist, ausgeschlossen werden soll. Das ist auch im kaufmännischen Verkehr nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG unzulässig. Die unterlassene und mangelhafte Kühlung hat der Verfrachter gemäß §§ 276, 278 BGB zu vertreten, denn die von ihr beauftragte Kaianstalt handelte dabei grob schuldhaft (Container wurden einen Tag lang von der Kaianstalt nicht gekühlt). Die bei diesem Fall vorliegende Tackle-to-Tackle-Klausel hat folgenden Wortlaut:
"Notwithstanding the above, the carrier shall be under no liability whatsoever for loss of or damage to the goods, howsoever occuring when such loss of or damage arises prior to the loading on or subsequent to the discharge from the vessel."
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§ 606 HGB (Haftung für kommerzielles Verschulden)
Der Verfrachter ist verpflichtet, beim Einladen, Stauen, Befördern, Behandeln und Ausladen der Güter mit der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters zu verfahren. Er haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung der Güter in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung entsteht, es sei denn, dass der Verlust oder die Beschädigung auf Umstände beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht abgewendet werden konnten. |
Abbildung 33: § 606 HGB (Haftung für kommerzielles Verschulden)
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