Bei dem Ausschluss der fehlenden oder mangelhaften Verpackung kommt es nicht auf die Handelsüblichkeit an, vielmehr darauf, ob sie ausreichend Transportschäden bei normaler Beanspruchung zu verhindern mag. Eine Haftungsbefreiung tritt ein, wenn bei gleichem Geschehensablauf im Falle einer ordnungsgemäßen, d. h. sicheren Verpackung der Schaden nicht eingetreten wäre. Unzureichend verpackt sind Güter, wenn Rangierstöße im Betrieb bis zu 12 km/h nicht aufgefangen werden.
Urteil 36: § 83 EVO / Artikel 36 ER/CIM 1990 Container und mangelhafte Verpackung
Bei einer Stückgutbeförderung von Haus zu Haus muss eine sichere Verpackung nach § 62 EVO sowohl den typischen Gefahren des Eisenbahn- als auch des Straßentransports Rechnung tragen [37]. Die Verpackung muss sowohl den typischen Gefahren, mit denen beim Eisenbahnbetrieb zu rechnen ist - wie Erschütterungen, Umladungen, Rangierstöße bei Auflaufgeschwindigkeiten von 10 bis 12 km/h -, standhalten als auch den Gefahren, die typischerweise mit dem Abholen und Zurollen mit Kraftfahrzeugen verbunden sind, also schlechte Wegstrecken sowie Kurvenfahrten. Bei der Beförderung in Containern gehört deswegen zur transportsicheren Verpackung nicht nur die entsprechende Befestigung des Gutes im Container, sondern auch eine Stauung mit - so weit möglich - gleichmäßiger Gewichtsverteilung, um ein Umfallen der Container in Kurven zu vermeiden. Im Streitfall greift der Haftungsbefreiungsgrund einer Schadenverursachung durch die Sondergefahr einer mangelhaften Verpackung ein (§ 83 Abs. 1 b EVO).
Daneben ist aber die Eisenbahn für die betriebssichere Verladung verantwortlich. Hierbei muss die Eisenbahn bzw. der von ihr eingesetzte Unternehmer sich im Rahmen der von ihm zu verantwortenden Betriebssicherheit - insoweit in Übereinstimmung mit den Vorschriften der StVO - vergewissern, dass die Art der Beladung und Stauung in den Containern die Stabilität des Fahrzeuges nicht gefährden. Zu diesem Zweck muss er sich u. a. gerade hinsichtlich des Gewichtes bzw. der Gewichtsverteilung sachkundig machen und ggf. den genauen Stellplatz auf dem Fahrzeug bestimmen, wenn Gefahr für dessen Stabilität besteht. Kann der Transportunternehmer das Betriebsrisiko nicht überblicken oder wären dazu übermäßige Kontrollen notwendig, muss er beim Auftraggeber jedenfalls dann nachfragen, wenn er Anlass zu der Annahme hat, dass möglicherweise keine gleichmäßige Gewichtsverteilung bei der Beladung der Container vorgenommen wurde.
Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führte gemäß § 254 BGB in diesem Fall zur Haftungsteilung im Verhältnis 1 : 1.
|
§ 83 EVO (Beschränkung der Haftung bei besonderen Gefahren)
- Die Eisenbahn haftet nicht für Schäden, die aus einer oder mehreren der nachbenannten Ursachen entstehen:
- aus der mit der Beförderung in offenen Wagen verbundenen Gefahr für Güter, die nach den Vorschriften dieser Ordnung oder des Tarifs oder nach einer im Frachtbrief aufgenommenen Vereinbarung mit dem Absender auf diese Weise befördert werden
- aus der mit dem Fehlen einer Verpackung oder mit mangelhafter Verladung verbundenen Gefahr für Güter, die ohne Verpackung ihrer Natur nach Verlusten oder Beschädigungen ausgesetzt sind
- aus der mit dem Ver- oder Ausladen oder mit mangelhafter Verladung verbundenen Gefahr für Güter, die nach den Vorschriften dieser Ordnung oder des Tarifs oder nach einer in den Frachtbrief aufgenommenen Vereinbarung mit dem Absender von diesem verladen oder nach Vereinbarung mit dem Empfänger von diesem ausgeladen werden
- aus der besonderen Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlusts oder der Beschädigung, namentlich Bruch, Rosten, inneren Verderb, außergewöhnlichen Rinnverlust, Austrocknen, Verstreuen, der gewisse Güter nach ihrer eigentümlichen natürlichen Beschaffenheit ausgesetzt sind;
- aus der Gefahr, die daraus entsteht, dass der Absender von der Beförderung ausgeschlossene Gegenstände unter unrichtiger, ungenauer oder unvollständiger Bezeichnung aufgibt oder dass er nur bedingt zur Beförderung zugelassene Gegenstände unter unrichtiger, ungenauer oder unvollständiger Bezeichnung oder unter Außerachtlassung der vorgeschriebenen Vorsichtsmaßregeln aufgibt
- aus der für lebende Tiere mit der Beförderung verbundenen besonderen Gefahr
- aus der Gefahr, deren Abwendung durch die Begleitung von lebenden Tieren oder von Gütern bezweckt wird, wenn diese Tiere oder Güter nach den Bestimmungen dieser Ordnung oder des Tarifs oder nach einer in den Frachtbrief aufgenommenen Vereinbarung mit dem Absender begleitet werden müssen.
- Konnte nach den Umständen des Falles ein Schaden aus einer oder mehreren dieser Ursachen entstehen, so wird bis zum Nachweis des Gegenteils durch den Berechtigten vermutet, dass der Schaden daraus entstanden ist. Diese Vermutung gilt im Falle des Abs. (1) a) nicht bei außergewöhnlichem Abgang oder bei Verlust von ganzen Stücken.
- Eine Befreiung von der Haftung aufgrund dieser Vorschriften kann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schaden durch Verschulden der Eisenbahn entstanden ist.
|
Abbildung 23: § 83 EVO (Beschränkung der Haftung bei besonderen Gefahren)
Artikel 36 ER/CIM 1990 (Umfang der Haftung)
§ 1 |
Die Eisenbahn haftet für den Schaden, der durch gänzlichen oder teilweisen Verlust oder durch Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Annahme zur Beförderung bis zur Ablieferung sowie durch Überschreitung der Lieferfrist entsteht.
|
§ 2 |
Die Eisenbahn ist von dieser Haftung befreit, wenn der Verlust, die Beschädigung oder die Überschreitung der Lieferfrist durch ein Verschulden des Berechtigten, eine nicht von der Bahn verschuldete Anweisung des Berechtigten, besondere Mängel des Gutes (inneren Verderb, Schwund usw.) oder Umstände verursacht worden ist, welche die Eisenbahn nicht vermeiden und deren Folgen sie nicht abwenden konnte.
|
§ 3 |
Die Eisenbahn ist von dieser Haftung befreit, wenn der Verlust oder die Beschädigung aus der mit einer oder mehreren der folgenden Tatsachen verbundenen besonderen Gefahr entstanden ist: |
- Beförderung in offenen Wagen gemäß den maßgebenden Bestimmungen oder gemäß einer in den Frachtbrief aufgenommenen Abmachung zwischen dem Absender und der Eisenbahn
- Fehlen oder Mängel der Verpackung bei Gütern, die ihrer Natur nach bei fehlender oder mangelhafter Verpackung Verlusten oder Beschädigungen ausgesetzt sind
- Verladen der Güter durch den Absender oder Ausladen durch den Empfänger gemäß den maßgebenden Bestimmungen oder einer in den Frachtbrief aufgenommenen Abmachung zwischen dem Absender und der Eisenbahn oder einer Abmachung zwischen dem Empfänger und der Eisenbahn
- mangelhafte Verladung, sofern die Verladung vom Absender gemäß den maßgebenden Bestimmungen oder einer in den Frachtbrief aufgenommenen Abmachung zwischen ihm und der Eisenbahn vorgenommen wurde
- Erfüllung der zoll- oder sonstigen verwaltungsbehördlichen Vorschriften durch den Absender, den Empfänger oder einen Beauftragten
- natürliche Beschaffenheit gewisser Güter, derzufolge sie gänzlichem oder teilweisem Verlust oder Beschädigung, insbesondere durch Bruch, Rost, inneren Verderb, Austrocknen, Verstreuen, ausgesetzt sind
- unrichtige, ungenaue oder unvollständige Bezeichnung der von der Beförderung ausgeschlossenen oder nur bedingungsweise zugelassenen Gegenstände oder Nichtbeachtung der vorgeschriebenen Vorsichtsmaßnahmen für bedingungsweise zur Beförderung zugelassene Gegenstände durch den Absender
- Beförderung lebender Tiere
- Beförderung, die gemäß den maßgebenden Bestimmungen oder einer in den Frachtbrief aufgenommenen Abmachung zwischen dem Absender und der Eisenbahn unter Begleitung durchzuführen ist, wenn der Verlust oder die Beschädigung aus einer Gefahr entstanden ist, die durch die Begleitung abgewendet werden sollte.
|
Abbildung 24: Artikel 36 ER/CIM 1990 (Umfang der Haftung)
|