4.3.6   Kraftschlüssige Sicherungen
Kraftschlüssige Sicherungen oder Sicherungen durch Reibschluss (engl. friction securing/loop) werden dadurch bewirkt, dass die Reibungskräfte zwischen den Versandstücken und den Zwischen- oder Unterlagen größer als die infolge von Versandbeanspruchungen wirkenden Kräfte gemacht werden. Nur wenn diese Voraussetzung zum Zeitpunkt der Anbringung erfüllt ist und während des gesamten Beförderungsablaufes gehalten werden kann, ist der Begriff "Sicherung" gerechtfertigt. Ein Beispiel aus dem täglichen Leben ist ein Buspassagier, der seinen Fuß auf den mitgeführten Aktenkoffer stellt, damit dieser in einer Kurve oder beim Anfahren und Bremsen nicht wegrutscht.
 
Überwurflasching aus Bandstahl

 
Die bekannteste und am häufigsten verwendete Form der kraftschlüssigen Sicherung ist der Überwurflasching, auch als friction loop bezeichnet. In den VDI-Richtlinien und anderen Veröffentlichungen für den Straßenverkehr ist die Methode als Niederzurren und der Lasching als Niederzurrung bekannt. Im Schienenverkehr spricht man von Niederbindung.
 
Alle Bestimmungen meinen das Gleiche: Mithilfe von Spannelementen wird in die Laschings eine Vorspannung eingebracht, die das so gesicherte Versandstück künstlich beschwert. Dadurch werden am Boden des Packstücks zusätzliche Reibungskräfte erzeugt. Zusammen mit den "normalen" Reibungskräften ergeben sie die Gesamtsicherungskräfte eines entsprechenden Laschings. Die Sicherungsmethode ist umso wirkungsvoller, je größer die Reibung und je größer die effektive Vorspannung ist.
 
Sofern bei Niederzurrungen überhaupt von "vorteilhaft" gesprochen werden kann, ist es der Umstand, dass Reibungskräfte in allen Richtungen wirken. Es ist demnach gleichgültig, von welcher Seite aus Niederzurrungen angebracht werden.
 
  Reibungskräfte wirken in alle Richtungen.

 
Das Prinzip der Sicherung ist demnach, dass die Vertikalkomponente der in ein Zurrmittel eingebrachten Vorspannung die Anpresskräfte zwischen Ladung und Unterlage erhöht und dadurch zusätzliche Reibungskräfte bewirkt.
 
prinzipielle Darstellung der Wirkung von Niederzurrungen

 
Je kleiner die Vertikalkomponenten und die Reibungswerte sind, umso geringer fallen die erreichbaren Sicherungskräfte aus:
 
  Zusammenhang zwischen Vorspannung
und Vertikalanteil bei Zurrwinkeln

 
Bei einseitig angebrachten Spannmitteln nimmt die Vorspannung zur Gegenseite hin ab. Je rauer die Berührungsflächen der Umlenkung sind, umso geringer ist die auf der Gegenseite erzeugte Vorspannung. Die Verwendung von Gleitecken kann sicherstellen, dass ein möglichst hoher Anteil der auf einer Seite erzeugten Vorspannung auch auf der Gegenseite wirksam wird. Erschütterungen können dafür sorgen, dass die Vorspannung auf der gespannten Seite ab- und auf der nicht gespannten Seite zunimmt.
 
  Verlagerung der Vorspannung während der Beförderung

 
Können keine Gleitecken benutzt werden, ist es sinnvoll, bei einseitig eingesetzten oder verwendeten Spannmitteln die Laschings wechselseitig zu spannen.
 
  falsche Anbringung der fest installierten Zurrwinden und des Bandstahls

 
Die Zurrwinden wären brauchbar, wenn beispielsweise je drei davon auf jeder Seite installiert würden. Dass alle Stahlbänder auf der gleichen Seite gespannt wurden, ist ungünstig.
 
Wichtig ist, dass die Zurrmittel die Vorspannung ständig ausüben, also immer vorgespannt sind. Deshalb ist es nur sinnvoll, wenn Niederzurrungen in Verbindung mit elastischen Materialien eingesetzt werden. Drahtseile, Ketten oder gar Stahlband sind als Niederzurrung deshalb ungeeignet - es sei denn, sie werden durch die Verwendung spezieller Unterleger elastisch gemacht.
 
  Sicherungskräfte sind nur vorhanden, wenn die Vorspannung gehalten wird.

 
Bei der Holzkiste ist deutlich zu erkennen, dass der Bandstahl Eindrücke im Kistenholz verursacht hat. Es sind nur einige weitere Transportstöße erforderlich und die Vorspannung geht auf Null. Die Zwischenlage aus Reifengummi beim rechten Bild kann bewirken, dass die Vorspannung durch die Elastizität des Gummis erhalten bleibt.
 
  Stahldraht und Reifen-
gummi
  Abnahme der Vorspannung

 
Bei Materialien, die stark nachgeben, kann eine Unterlage aus Materialien mit hohem Rückstellvermögen wie Reifengummi, keine große Wirksamkeit entfalten. Wie das Foto beweist, ist die Abnahme der Vorspannung dramatisch. Hier war es bei einem neuen 16-mm-Stahldrahtseil eine Abnahme von ca. 2.700 daN auf ca. 2.100 daN innerhalb einer Kaffeepause von zwanzig Minuten. Stahldrähte haben leider die Eigenschaft, dass sie permanent Lose geben. In dem Beispiel ist der Reifengummi jedoch vorzüglich geeignet, um Schäden an Plane und Ladungsgut zu verhindern.
 
Die Größenordnung von Vorspannkräften, die in Zurrmittel eingebracht werden können, ist von den aufgewandten Spannkräften, den Hebelarmverhältnissen am Spannelement und der Elastizität der Zurrmittel abhängig. Die Erfahrung zeigt, dass mit folgenden Laschmaterialien bei normalem körperlichen Einsatz folgende Vorspannkräfte im Zurrmittel erreicht werden können:
  • mit normalen Ratschen ca. 300 daN pro Seite

  •  
  • mit Spannern für Einweg-Textilgurte ca. 500 daN

  •  
  • mit Langhebelratschen ca. 500 - 750 daN pro Seite

  •  
  • mit gängigen Spindelspannern und Winden 500 - 1.000 daN

  •  
  • mit manuellen Bandeisenspannern 1.000- 1.500 daN

  •  
  • mit Laschspannschrauben ca. 3.000 daN
Dieses sind keine verbindlichen Werte, sondern Erfahrungswerte aus der Praxis in einem Seehafen. Praktiker sollten für den eigenen Bereich die entsprechenden Werte in Abhängigkeit der verwendeten Materialien ermitteln. Mit speziellen Spannmitteln können möglicherweise auch höhere Vorspannungen eingebracht werden. Empfehlenswert ist die Verwendung von Vorspannindikatoren. Diese erlauben sowohl die genaue Ermittlung der Vorspannung beim Zurren als auch eine Kontrolle der verbleibenden Vorspannung während des Transports. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass es wenig hilft, wenn die Container während des Beförderungsablaufes gar nicht kontrolliert werden können.
 
Aus nicht näher zu erläuternden Gründen darf die Vorspannung maximal die Hälfte der Einsatzfestigkeit bzw. der zulässigen Zurrkraft der Laschings im Einzelstrang betragen.
 
Die Vertikalkomponente von Vorspannkräften nimmt bei Niederzurrungen mit kleiner werdendem Zurrwinkel ab. Mathematisch betrachtet erfolgt die Abnahme mit dem Sinus des Zurrwinkels. Die folgenden Werte mögen als Anhaltspunkte dienen:
 
 
Zurrwinkel Größe der Vertikalkomponente grafische Darstellung
90° 1,00 oder 100 %
75° 0,97 oder 97 %
60° 0,87 oder 87 %
45° 0,71 oder 71 %
30° 0,50 oder 50%
15° 0,26 oder 26%
0,00 oder 0%

Einfluss des Zurrwinkels auf die Vertikalkomponente

 
Die folgende Tabelle gibt beispielhaft Aufschluss über die Größenordnung der Gesamtsicherungskräfte von Niederzurrungen bei einer Gesamtvorspannung von 600 daN bei unterschiedlichen Zurrwinkeln und Reibbeiwerten.
 
 
Gesamt-
vorspannung in daN
Zurrwinkel Vertikal-
komponenten-
anteil
Reibung
0,10 0,20 0,25 0,30 0,40 0,50 0,60
600 15° 0,26 16 31 39 47 62 78 94
30° 0,50 30 60 75 90 120 150 180
45° 0,71 43 85 107 128 170 213 256
60° 0,87 52 104 131 157 209 261 313
90° 1,00 60 120 150 180 240 300 360

       Sicherungskräfte in Abhängigkeit von Vorspannung, Zurrwinkel und
       Reibung

 

Der Tabelle ist zu entnehmen, dass bei einer Gesamtvorspannung von 600 daN, einem Zurrwinkel von 90° und einer Reibung von 30 % eine Sicherungskraft von 180 daN pro Niederzurrung erreicht werden kann. Zum Sichern einer Ladungsmasse von 9 t sind demnach 50 (fünfzig!) Niederzurrungen erforderlich. Das zeigt, dass Niederzurrungen nur bedingt brauchbare Sicherungen darstellen. Überdies erfordern Niederzurrungen eine gleichmäßige Verteilung der Vorspannung auf beide Seiten. Durch paarweisen, zentralen oder wechselweisen Einsatz der Spannelemente kann das erreicht werden.
 
Die wirksamen Sicherungskräfte lassen sich vor Ort ohne großen Aufwand und mit den Grundrechenarten sehr genau bestimmen, sofern Vorspannung und Reibung bekannt oder einigermaßen sicher eingeschätzt werden können:
 
       Bestimmung des Vertikalanteils der Vorspannung eines
     Laschings

 
Gemessen wird die wirksame Länge des Zurrmittels im Beispiel mit 1,00 m (dunkelgrüne Linie). Der Vertikalanteil der Zurrung beträgt im Beispiel 0,80 m (hellgrüne Linie). Der Vertikalanteil der Vorspannung beträgt demnach 80 % oder 0,8 (immer den kleinen Wert durch den großen Wert teilen). Durch Multiplizieren des Wertes mit der Vorspannung des Zurrmittels und dem Reibungsfaktor zwischen Kollo und Unterlage errechnet sich die Sicherungskraft. Bei einer Vorspannung von 500 daN und einer Reibung von μ = 0,3 übt der Lasching eine Sicherungskraft von 0,8 x 500 daN  x 0,3 = 120 daN aus.
 
Bei konventionell zu verarbeitenden Materialien wäre beidseitiger Spannmitteleinsatz machbar - aber unpraktisch. Bei Containerladungen bedeutet ein zentraler Einsatz von Spannmitteln eine Unfallgefahr, da oben auf der Ladung herumgeklettert werden müsste. Konfektionierte Ladungssicherungsmaterialien verfügen zumeist nur über nicht mittig angebrachte Spannelemente und würden deshalb zusätzlichen Material- und Arbeitsaufwand erfordern. Deshalb bleibt die Empfehlung - sofern überhaupt mit Niederzurrungen gearbeitet wird - diese wechselseitig anzubringen. Ein Übergehen der Ladung ist noch eher zu befürchten, wenn sich die Spannung nicht gleichmäßig verteilt. In Boxcontainern sind Überwurflaschings nur bedingt einsetzbar. Bei allen Plattformcontainern sind sie zwar einfach anzubringen, aber nicht empfehlenswert.
 
Wie erwähnt ist zur angemessenen Ladungssicherung die Aufrechterhaltung der Vorspannung während des Transportes unabdingbar. Selbst geringste Ladelücken, das Setzen von Ladungen, das Nachgeben oder Eindrücken der Ladung oder das Einschneiden von Zurrmitteln in Ladegüter aufgrund fehlenden Kantenschutzes kann die Vorspannung verringern oder auf Null setzen.
 
Bei Ladungen mit Überbreite sind Überwurflaschings aus einem weiteren Grund ungeeignet:
 
Bewegungsmög-
lichkeit infolge zu geringer Sicherungskräfte bei Überbeite

 
Aufgrund der ungünstigen Zurrwinkel im unteren Bereich wird sich mit kaum einem Laschmaterial eine ausreichende Vorspannung erzielen lassen. Die Gefahr ist dann besonders groß, dass die Kolli in Bewegung geraten.
 
  schlecht   nicht gut, aber besser

 
Als Zusammenfassung ergibt sich, dass Überwurflaschings bzw. Niederzurrungen nur dann als Sicherung wirken können, wenn lückenlos gestaut wird oder vorhandene Lücken ausgefüttert werden. Bei kleinen Ladelücken ist der Einsatz von Treib- oder Slipperkeilen empfehlenswert. Größere Ladelücken sind mit Holz oder ähnlichen belastungsfähigen Materialien auszusteifen. Überdies müssen ausreichend hohe Anpressdrücke sichergestellt werden können. Ist das nicht möglich, sind Ladungen durch andere Methoden zu sichern. Laschmaterialien ohne hinreichende Elastizität sind als Niederzurrung nicht geeignet. Solche mit entsprechender Elastizität, wie z. B. Zurrgurte, verlieren mit der Dauer des Einsatzes zunehmend an Vorspannung. Dieses wird umso eher geschehen, je mehr Vibrationen die Ladung ausgesetzt ist.
 
Niederzurrungen müssen deshalb in regelmäßigen Abständen überprüft und gegebenenfalls nachgespannt werden. Da das in Containern nicht möglich ist, scheiden Niederzurrungen für die Sicherung im Container aus. Erneut der Hinweis: Gibt es andere Möglichkeiten der Ladungssicherung, sind Niederzurrungen zu vermeiden!
 
Eines bewirken Niederspannungen jedoch immer: Sie stellen eine Direktzurrung gegen Vertikalbewegungen dar.
 
Kraftschlüssige Sicherungen können auch durch Verkeilen erreicht werden. Eine weitere Variante ist das Niederdrücken. In Ermangelung vorhandener oder erreichbarer Zurrpunkte ist diese Sicherungsmethode in Boxcontainern einsetzbar. Voraussetzung ist die Erreichbarkeit belastungsfähiger Bauteile des Transportträgers.
 
prinzipielle Methode des Niederdrückens
- Anwendungsbeispiel

 
Je nach Größe der zu erzeugenden Sicherungskräfte, der Empfindlichkeit der Versandstücke und der Widerstandsfähigkeit der Transportmittelbauteile kann mit Kanthölzern, Bohlen, Brettern o. Ä. gearbeitet werden. Vorsicht: Bei sehr steilen Winkeln können beim seitlichen Treiben der Schrägsteifen extreme Vertikalkräfte erzeugt werden.
 
 

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